Was verbindet Ihr mit der Normandie? Meer, Streuobstwiesen, grasende Kühe, Wallhecken? Fürs echte Normandie-Feeling gehören die typischen Chaumières, die reetgedeckten (Fachwerk-)häuser, unbedingt auf Eure Liste. Und auf der Route des Chaumières könnt Ihr sie entdecken.
Das Wichtigste zur Route des Chaumières:
Chaumières, die gab es früher überall in der Normandie. Heute müsst Ihr sie suchen, wenn sie nicht gerade auf der touristischen Route an der Seine stehen. Denn eine Chaumière heute muss man sich leisten können, das Reetdach ist eine kostspielige Angelegenheit. Dabei lautet die korrekte Übersetzung für Chaumière „ärmliches, meist strohgedecktes Haus“. Denn früher war das anders: Baumaterial wie Stroh oder Reet (Schilf) zum Dachdecken, Holzbalken fürs Gerüst, Lehm für die Mauern war überall verfügbar und entsprechend günstig. So ging nachhaltig und ökologisch bauen früher! Eine weitere Besonderheit: Schwertlilien, die auf dem First wachsen, geben mit ihren Wurzeln dem Gedeck Halt und sehen auch noch gut aus. Dabei kommt dem First besondere Bedeutung zu, er muss sehr widerstandsfähig gegen Regen und Wind sein und das gesamte Dach zusammenhalten.
Die Häuser sind schmal und so konstruiert, dass Ihr auf einer Ebene wohnt. Ohne Flur gelangt man von einem Raum in den nächsten. Typisch ist auch die Form des Daches: Es hat eine starke Neigung, sodass das Wasser gut abfließen kann, es hat überstehende Giebel und oft führt hier eine Treppe nach oben. Die Chaumières in Seine-Maritime und in der Eure weisen eine weitere Charakteristik auf: Cafoutins, das sind halbunterirdische Keller, in denen früher Obst und Gemüse gelagert wurde.
Das Fachwerk hat eine völlig andere Anmutung, als Ihr das aus Deutschland kennt: Die Streben stehen meist senkrecht, sind dünn und schmal, die Balken wirken wie frisch aus dem Baum gehauen, sind knorzig und krumm, was den Häusern eine besondere Anmutung verleiht.
Gut zu wissen: Eine Chaumière muss nicht zwangsläufig ein Fachwerkhaus sein, auf dem Cotentin wurden diese Häuser mit dem charakteristischen blauen Granit gebaut. Aber hier, auf der Route des Chaumières, sind es überwiegend Fachwerkhäuser, die oftmals liebevoll restauriert wurden.
Auf die Spuren der Postkartenidylle begebt Ihr Euch auf der Route des Chaumières. Die 53 Kilometer lange Route startet im Maison du Parc des Parc naturel régional des Boucles de la Seine Normande in Notre-Dame-de-Bliquetuit und führt Euch dann ein Stück an der Seine entlang und dreht eine Runde im Marais Vernier. Die Route ist beschildert, auch wenn mancherorts das Schild Opfer der Unbilden des Wetters geworden ist (oder eines eifrigen Bauarbeiters :-) ). Im Großen und Ganzen kommt Ihr aber mit der Beschilderung ganz gut zu Recht.
53 Kilometer sitzt man ja in einer Stunde auf der linken Arschbacke ab. Normalerweise! Denn zum einen sind die Straßen schmal und unübersichtlich. Zum anderen seid Ihr überall versucht, das Auto rechts ran zufahren und schnell ein Foto zu schießen, denn die Häuser sind eines schöner als das andere. In vielen Fällen haben sich die Bewohner auch sehr viel Mühe mit den kleinen Details gegeben und die Gärten sind eine absolute Pracht. Auch gibt es vielerorts weitere Besonderheiten zu entdecken, Taubenschläge, Kelter und Speicher.
Leider hatten wir auf unserer Tour Pech mit dem Wetter, meistens regnete es, sodass wir lange nicht so viele Stopps machen konnten, wie vorgesehen. Trotzdem haben wir gut einen halben Tag auf der Route des Chaumières zugebracht. Zeit lassen lohnt sich, auch zwischendrin durch die Orte zu schlendern oder von einem Ort in den nächsten zu laufen.
Hinweis: Leider sind Parkplätze und Parkbuchten eher rar gesät, schnell seid Ihr an "Oh wie schön, guck doch mal" vorbeigefahren. Sucht Euch in diesem Fall schnellstmöglich einen Platz, wo Ihr ohne Behinderung parken könnt und legt ein Stück des Weges zu Fuß zurück. Bitte stellt Euch nicht in die Einfahrten von Höfen und Weiden und nehmt Rücksicht auf die Bewohnerinnen und Eigentümer der Häuser, nachfolgende Reisende danken es Euch. Noch schwieriger ist es, wenn Ihr mit dem Wohnmobil unterwegs seid. Viele offizielle Parkplätze sind mittlerweile höhenbeschränkt, wie zum Beispiel der in Vieux Port. Und das nicht ohne Grund: Der malerische Flecken wurde von Reisemobilen überschwemmt, die sich oftmals nicht zu benehmen wussten. So schade – für alle Beteiligten.
Gut zu wissen: Wenn bei der Armada in Rouen die Schiffe zu Beginn und Ende des Festivals ein- oder auslaufen, ist überall entlang der Seine mit sehr viel Publikumsverkehr zu rechnen. Ich rate Euch in dieser Zeit von einer Tour über die Route des Chaumièrs ab. (Die nächste Armada findet allerdings erst vom 17. bis 27. Juni 2027 statt).
Für einen ausgiebigeren Zwischenstopp lohnen sich:
🐾 Maison du Parc des Parc naturel régional des Boucles de la Seine Normande, Hunde laut Seine-Maritime Tourisme erlaubt. Öffnungszeiten und weitere Infos: klick! Falls Ihr Euch mit dem Rad
weiterbewegen wollt, könnt Ihr hier eins leihen.
🐾Die Forêt dominale de Brotonne ist mit 7.500 Hektar eine der größten Wälder der Normandie. Erschließen könnt Ihr Euch diese zu Fuß oder mit dem Rad.
🐾 Vieux Port ist ein verschlafenes Örtchen direkt an der Seine, das fast ausschließlich aus Fachwerkhäusern besteht. Parkt hier und dreht eine Runde durchs Dorf. Wenn Ihr mehr
Zeit mitbringt, lohnt es sich, hier oder in Aizier zu parken und den Rundweg zur Erkundung einzuschlagen. Ihr schlendert ein wenig die Seine entlang, kommt durch die beiden Dörfer und lernt die
romantischen Ruinen der Chapelle Saint Thomas kennen. Mehr Infos erhaltet Ihr auf der Seite der Eure-Touristik, inklusive Karte zum Download.
🐾 Der Marais Vernier lädt ebenfalls zu einem ausgiebigen Spaziergang ein. Der Marais Vernier ist aus einer Seine-Schleife entstanden und heute ein circa 4.500 Quadratmeter großes
Feuchtgebiet. Auf den ersten Blick ist es völlig unspektakulär, aber es hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Der Marais beinhaltet eines der größten Torfmoore Frankreichs, das fast völlig
unberührt geblieben und zudem ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel ist. Neben Zug- und Wasservögeln und Störchen könnt Ihr Fischadlern begegnen oder schottischen Rindern und südfranzösischen
Camargue-Pferden. Der Minimalismus der Mäander-Landschaft ist zudem perfekt zum Entschleunigen! Einen Überblick bekommt Ihr vom Aussichtspunkt L’observatoire de la Grand’Mare
bei Sainte-Opportune-la-Mare oder auf einem kleinen Rundkurs, der beim pittoresken Örtchen Marais-Vernier startet.
🐾 In Quillebeuf-sur-Seine könnt Ihr einen Rundgang durch die verwinkelten Gassen unternehmen. Allerdings verströmt der Ort einen leichten Duft von Industrie- und Hafenanlagen,
was in krassem Gegensatz zum zuvor erlebten Landidylle steht.
Auch im näheren Umkreis zur Route des Chaumières könnt Ihr Sehenswertes entdecken. Kombiniert Euren Trip zum Beispiel mit:
🐾 einem Abstecher nach Honfleur, der schönsten Touristenstadt der Normandie,
🐾 einem Stadtbummel in Rouen, der Hauptstadt der Normandie,
🐾 einem Besuch von Pont-Audemer, dem normannischen "Venedig",
🐾 einer Exkursion zum La Maison du Lin im Roumois mit Infos zum Leinenanbau (Hunde erlaubt) und
🐾 einem Spaziergang durch die Fôret Roumare bei Rouen mit der Kunstausstellung "La Forêt monumentale" (ab 29. Juni 2024).
Wir haben die Tour im Juli 2023 auf eigene Kosten unternommen. Unsere Tipps spiegeln unsere subjektive Meinung wider, alle Hinweise wurden sorgfältig recherchiert. Bitte meldet uns, wenn sich ein Fehler eingeschlichen hat, danke.
Artikel online seit April 2024, Stand April 2024.
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