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Leben in Zeiten des Corona – Randnotizen und Momentaufnahmen (2/2020)

Ganz ehrlich: Eigentlich möchte ich diesen Beitrag nicht schreiben. Ich möchte nicht jammern und klagen, schließlich sind wir noch relativ gut dran. Und ich möchte mich nicht ständig nur mit Themen wie Corona, COViD und Ausgangssperre beschäftigen. Das klaut nämlich auf Dauer Lebensfreude. Macht mich ganz wuschig im Kopf.  Weil ich aber auch viele liebe Anfragen bekomme, wie es uns so geht, hier also wirklich nur eine Momentaufnahme, denn zur Zeit ändert sich oft täglich etwas.

Eine Hundeschnauze presst sich unterm Hoftor durch.
Eingesperrt ist dieser alte Hund schon sein ganzes Leben. Ab und zu entkommt er und läuft dann happy durchs Dorf.

Das ist der Sachstand  zu Corona in Frankreich

Die Ausgangssperre gilt noch bis zum 11. Mai.  Danach soll schrittweise gelockert werden. In der Manche und in der Normandie sind wir relativ gut dran, auch wenn die Strände und Küstenwanderwege gesperrt sind. Rausgehen dürfen wir nur für die wichtigsten Sachen, wie zum Beispiel zum Einkaufen und für unaufschiebbare Arzttermine. Eine Stunde Gassi im Radius von einem Kilometer ist gestattet, und auch nur einmal am Tag. Aber auch das ist purer Luxus, in manchen Gemeinden darfst du dich nur zehn Meter von deinem Wohnsitz wegbewegen, andere verhängen nachts totale Ausgangssperren.

Warum ist der französische Staat so rigoros? Zum einen, weil die Franzosen anfangs überhaupt nicht daran gedacht haben, sich an irgendwelche Beschränkungen zu halten. Ein Verbot ist eher ein Angebot! Zum anderen, weil die Situation in französischen Krankenhäusern längst nicht so komfortabel ist wie die in Deutschland. Es gibt weniger Intensivbetten, die zwar jetzt aufgestockt wurden, aber ein Intensivbett ist erst dann auch wirklich ein Intensivbett, wenn es Ärzte und Krankenschwestern dazu gibt, die sich um schwer pflegebedürftige Menschen kümmern können. Selbst unser Krankenhaus in Saint Lô sucht händeringend Personal mit intensivmedizinischer Ausbildung. Auch wurden schon Patienten auf andere Krankenhäuser verteilt, weil die Betten nicht ausreichten.

Die Meldungen aus dem Elsass, wo es einfach nicht mehr genug Betten gab, habt Ihr sicher in den deutschen Nachrichten gehört und auch in Paris wurden die Ressourcen knapp. Im großen Stil hat man die Menschen mit dem TGV in Krankenhäuser, in denen es noch freie Kapazitäten gab, verteilt. 52 Patienten aus dem Großraum Paris liegen hier in der Normandie.

In Frankreich ist es keine theoretische Diskussion, ob man die Gesunden auch wegsperrt, sondern ein (nahezu alternativloser) Wettlauf gegen Zeit und Virus. Mittlerweile gibt es Anzeichen von Entspannung, doch übern Berg sind wir wohl noch nicht. Alle Infos zur aktuellen Coronalage findet Ihr in diesem Blogartikel, den ich jeden Tag aktualisiere:

So sieht unser Alltag im Zeichen von Corona in Frankreich aus

Grandes Mares im Havre von Saint-Germain-sur-Ay in der Normandie.
Was ein Glück, dass ab und an das Meer bis vor unsere Haustür kommt!

Morgens fülle ich meine Selbstauskunft aus, nehme ich meine Hunde und gehe meine Stunde Gassi. Damit ich nicht in die verbotene Zone laufe, habe ich eine Karte mit meinem Radius dabei. Wir nehmen uns sehr viel Zeit, um den Lämmern, die jeden Tag mehr werden, zuzuschauen. Ihre Stimmen und die der Vögel bilden ein fast schon außerirdisches Orchester. Die Natur schenkt uns blühende Schlehensträucher und zaghaft hervor sprießende Blumen. Ich sehe meine Nachbarn, die ihr Vieh versorgen, und es stimmt mich froh, jeden jeden Tag wiederzusehen.

Eberhard hat sich vor fünf Wochen die Hand verletzt, deshalb kam eine Zeit lang eine Krankenschwester, um die Wunde zu versorgen und Fäden zu ziehen. Auch diese Menschen hatten sichtlich jeden Tag mehr zu tun hier in Frankreich. Zum Glück ist die Hand mittlerweile ganz gut verheilt, wir warten auf eine Narbensalbe, die irgendwo in der Post verschwunden ist. Ohnehin liefert die Post nur noch an drei Tagen in der Woche aus. Diese Krise macht uns zu unseren Hunden, wir gucken, was draußen auf der Straße los ist, warten auf den Briefträger und  Gassi und Abendessen sind das Tageshighlight.

Dann geh ich in mein Büro, aber auch die Schreibaufträge fallen mit und mit weg. Aber ich habe noch zu tun, und meistens vergeht der Tag mit Korrespondenz per Mail oder Messanger oder WhatsApp. Und mit lesen, zur Lage in Frankreich und in Deutschland. Das Thema Corona ist dabei beherrschend. Leider.

Gegen 15 Uhr bekommt Idgie ihre Longiereinheit im Garten und wenns jetzt bald hoffentlich wärmer wird, werden wir uns auch vermehrt im Garten aufhalten. Den ersten Sonnenbrand auf meiner Liege habe ich mir schon geholt.

Einkaufen tun wir circa alle zwei Wochen.  Abends kochen wir (wir haben auch schon gegrillt und mal wieder Flammkuchen gemacht), versuchen irgendwo einen netten Film zu ergattern und der Corona-Dauerbeschallung zu entgehen.

Derweil haben sich die Gewohnheiten im Dorf geändert. In den gelben Säcken liegen plötzlich kleine Bierfässer. Manche Nachbarn sind abends noch im Morgenrock. Zum Glasautomaten fährt man nicht mehr mit dem Auto, sondern läuft. Und auch die Hunde im Dorf kommen öfter an die frische Luft, als das vor Corona der Fall war. Die Katzen sind die Herren der Straße und werden jeden Tag ein bisschen dreister. Neulich hat sich uns eine buckelnd in den Weg gestellt und ist keinen Millimeter gewichen. Wenn es eine Corona-Verschwörung geben sollte, so ist die von den Katzen initiiert, die jetzt die Weltherrschaft anstreben. Glaubt mir :-) .

Obstbäume spiegeln sich im Grandes Mares bei Saint-Germain-sur-Ay in der Normandie.
Grandes Marees am Ortseingang von Saint-Germain sur-Ay – der Frühling kommt mit aller Macht.

Randnotiz: Was wir unseren Hunden alles abverlangen

Während ich das schreibe, wird mir klar, was wir so alles von unseren Hunden  abverlangen. Hunde müssen unterm Strich schon im normalen Alltag viel besser funktionieren als wir Menschen:

  • Sie dürfen sich nicht kratzen, wenn es juckt. Ich schaffe es noch nicht einmal, mir beim Einkaufen nicht ins Gesicht zu fassen.
  • Sie müssen es ertragen, den ganzen Tag alleine eingesperrt zu sein, weil Herrchen oder Frauchen arbeiten geht. Ich dreh mit den vereinzelten Sozialkontakten und Hunden schon seit den ersten zwei Wochen am Rad.
  • Sie dürfen nicht einfach zu jedem Menschen und Hund hinlaufen und "Hallo" sagen. Und jetzt merken wir, wie schwer das uns fällt!
  • Sie müssen jeden Impuls unterdrücken können, dürfen nicht einfach mal dem Wild hinterher rennen. So viel Impulskontrolle hätte ich mir für alle Hamsterkäufer gewünscht.

Wie lange wird die Corona-Krise in Frankreich noch dauern?

Schafe am Rand des Havres von Saint-Germain-sur-Ay
Schafe am Rand des Havres von Saint-Germain-sur-Ay.

Die Ausgangssperre wurde ja erst vor kurzem bis zum 11. Mai verlängert. Danach soll es schrittweise zu einer neuen Normalität gehen. Bis Ende des Monats soll der Stufenplan vorgelegt werden. Ob es dann wirklich der 11. Mai sein wird, hängt von vielen Faktoren ab: Rückläufige Zahlen, genug Testkapaziäten, um alle Menschen mit Symptomen testen zu können (zur Zeit wird wirklich nur ein kleiner Personenkreis getestet), Schutzmaskenpflicht an bestimmten Orten (dafür braucht es logischerweise auch Schutzmasken), eine Tracking-App. Viele Veranstaltungen wurden schon abgesagt, bis in den August hinein. Ob zum Beispiel das D-Day-Festival in der Normandie dieses Jahr überhaupt stattfinden wird, ist noch ungewiss. Derzeit arbeiten die Verantwortlichen noch am Programm. Abgesagt wurden aber schon alle Fallschirmabsprünge und viele größere Feste, sodass das Gesamtkonzept auf kurz oder lang wohl ebenfalls gestrichen wird.

Viel hängt davon ab, wann touristisches Reisen überhaupt wieder möglich sein wird. 65 % aller Franzosen wollen dieses Jahr im Land bleiben, 40 sogar in ihrer eigenen Region, so eine Meinungsumfrage.

Schluss mit dem Corona-Gejammer

Die Mares in Saint-Germain-sur-Ay in der Normandie
Zum Baden ist es in unseren Süßwasserseen definitiv noch zu kalt.

Nein, ich will in diesen Tagen nicht jammern, denn ich finde dieses Corona-Gejammer auf hohem Niveau echt befremdlich und macht die Lage ja nicht besser. Also, ich möchte heute einfach mal dankbar sein:

  • für meinen lieben Mann und meine tollen Hunde
  • für unser kleines Häuschen und unseren schönen Garten
  • für die Salzwiesen vor meiner direkten Haustür
  • für Eure lieben Mails/PMs/WhatsApps
  • Feli von Hundelike für die schönen "Alltagsmasken", sodass wir uns dann auch mit Maskenpflicht bewegen können. (Sie näht auch welche für Euch, mailt sie einfach an!)
  • Tanja für den Lesenachschub
  • der Post, die all das irgendwie doch noch zugestellt hat
  • den tollen Auftraggebern, die uns Autoren nicht hängenlassen
  • allen, die mich zum Lachen bringen
  • allen, die den Laden hier in Frankreich noch am Laufen halten
  • allen, die diesen Artikel bis zu Ende gelesen haben.

PS: Die Fotos sind alle auf unserer Gassirunde mit dem Smartphone entstanden. Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich mich darüber freuen würde, Fotos mit dem Handy zu machen, ich hätte ihn glatt für verrückt erklärt.

PS2: Bleibt gesund & gelassen & uns gewogen. Merci!

Ein Border Collie sitzt im Sand von Saint-Germain-sur-Ay
Idgie würde gerne unseren Ausgangsradius verlängern. Aber die Strafen sind hoch: Das Erstvergehen kostet 135 Euro.

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Kommentare: 14
  • #1

    Jakob Jansen (Samstag, 18 April 2020 20:17)

    Wunderschön geschrieben. Ich freue mich auf unseren nächsten Urlaub ganz in eurer Nähe, hoffentlich Ende August. Bis dann, auf ein glückliches Wiedersehen.

  • #2

    Kathrin Gössi (Samstag, 18 April 2020 20:32)

    Danke für den Bericht. Wir freuen uns auch schon sehr, bis wir unser Lieblingsland wieder bereisen dürfen. Ich freue mich sehr, dass es euch gut geht! Bleibt gesund und geniesst trotz allem den Frühling!

  • #3

    Silke Ratering (Rg ) (Samstag, 18 April 2020 20:51)

    Danke, dass Du Eure Situation, die Gefühle so wunderbar mitteilst. Ich habe heute noch zu meinem Mann gesagt, wir haben es in Deutschland noch richtig gut. Wir können mit unseren wilden Kerlen die Natur unbeschwert genießen. Spazieren gehen, wann immer wir möchten. Ja, es ist ruhiger, sogar noch ruhiger selbst hier auf dem Land. Wir wünschen Euch, dass es auch in Frankreich ab Mitte einige Lockerung en geben wird, vielleicht dürft ihr wieder am Strand spazieren, die Hunde dürfen herumtollen und buddeln. Haltet durch, ganz liebe Grüße aus NRW.

  • #4

    Feli Pöpsel (Sonntag, 19 April 2020 07:36)

    Liebe Barbara,
    ganz lieben Dank für deinen traurigen aber tollen Bericht..... ich denke so oft an euch und wünsche euch von ganzem Herzen dass ihr diese Krise weiterhin gut übersteht und die strengen Maßnahmen bald gelockert werden. Wir alle haben hoffentlich viel daraus gelernt.....
    Haltet durch! Ganz liebe Grüße auch an Eberhart und viele Knuddler für die Hundis, Feli

  • #5

    Claudia Graf (Sonntag, 19 April 2020 10:24)

    Bis vor Kurzem erlebten auch wir dieses confinement hautnah und können eure Gemütslage bestens nachfühlen. Wir denken an euch und wünschen euch und der Normandie das Allerbeste. In unserem Dorf (Regnéville sur Mer) hatten wir damit begonnen, uns unter Nachbarn gegenseitig zu bekochen und das Ergebnis unserer Künste (ein Kuchen, eine Suppe) vor die Gartenpforte zu stellen. Dies hätten wir wohl unter normalen Umständen nicht getan. Bon courage!

  • #6

    Johanna Huda (Sonntag, 19 April 2020 11:34)

    Danke für diesen schönen Bericht. Beim Frühstück heute morgen haben wir auch überlegt, ob und wann wir in diesem Jahr noch nach Frankreich dürfen. Ansonsten haben wir enen Garten, den wir hegen, pflegen und vom lästigen Giersch befreien können. Die vielen, total widersprüchlichen Informationen der Virologen, Gesundheitsexperten, Ärzte machen uns meschugge. In unserer "kleinen" Stadt befremden mich die ängstlichen und zum Teil feindlichen Blicke, die mir beim Spazierengehen oder Fahrradfahren entgegen geworfen werden. Das Reisen fehlt mir trotzdem. Positiv finde ich lediglich, dass ich jetzt (noch) mehr Zeit zum Schreiben habe. Herzliche Grüße aus dem Ruhrpott!

  • #7

    Mathias Lehn (Sonntag, 19 April 2020 12:07)

    Gerade in dieser Zeit, wo die Natur explodiert und die Sonne schon genug Kraft hat nicht nur die Luft sondern auch die Seele zu erwärmen, fällt es mir als Camper natürlich auch sehr schwer. Normalerweise ist die aktuelle Zeit die Zeit im Jahr, wo man eigentlich jedes Wochenende unterwegs ist. Im Gegensatz zu Frankreich ist die Lage hier in Deutschland trotzdem eigentlich relativ normal. Trotzdem wird gejammert. Wie üblich. Alles, was der mensch nicht darf, will er umso mehr. Mein Tagesablauf sieht auch nicht viel anders aus als sonst. Und ich hoffe, dass wir bald wieder reisen dürfen. An den schönsten Ort der Welt und zu den tollsten Menschen der Welt.

    Mathias, Vin & Berti

  • #8

    Michael Meinhard (Sonntag, 19 April 2020 22:06)

    Ich möchte einfach nur Danke sagen....
    DANKE und , lasst uns gegenseitig einfach nur Hoffen und Zuversicht senden

  • #9

    Christa (Sonntag, 19 April 2020 22:24)

    Schöner Bericht, das Einblick in eure Situartion gibt. Hier in Österreich ist es etwas einfacher. Wir wünschen euch Durchhaltevermögen. Wir werden das alle schaffen!

  • #10

    dany (Sonntag, 19 April 2020 23:30)

    danke für den Bericht! bleibt gesund!

  • #11

    Lore Fieber (Sonntag, 19 April 2020 23:46)

    Vielen Dank für den tollen Bericht. Haltet durch, wenn es auch bestimnt nicht einfach ist.
    Wir haben unsere geplante Reise in unsere Partnerstadt Pérols von Mai auf Oktober verschoben und ich hoffe, dass wir sie auch realisieren können.
    Bleibt gesund!

  • #12

    Jan (Montag, 20 April 2020 12:01)

    Bleib gesund.Grüsse aus Deutschland.

  • #13

    Ulrike Hohlwegler (Dienstag, 21 April 2020 13:16)

    Wie schön geschrieben. Sehnsucht nach Normalem schwingt mit. Das geht uns allen so. Ich schaue mir WebCam-Bilder aus La Manche an und Urlaubsfotos von vorher. Das hilft auch ein bisschen. Bin Gott froh, dass in Deutschland keine zeitliche Beschränkung zum Rausgehen herrscht. Wenn unser vor 5 Wochen verstorbener Diego noch leben würde, würde der mich nach nur 1 Std. Gassi fragen, ist dass alles, tickst du noch ganz richtig? Geht doch erst los!
    Haltet Euch alle wacker!!

  • #14

    Gisela Wagner (Dienstag, 21 April 2020 19:51)

    Wir drücken ganz Frankreich die Daumen auf baldige Besserung. Für Frankreich und natürlich mit der Hoffnung bald wieder in dieses tolle Land reisen zu können. Viele Grüße aus Deutschland


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